Wir hatten uns nie gross Gedanken über die Wahl unseres Wohnortes gemacht. Wir mochten das Dorf, in dem wir aufgewachsen waren. Wir mussten drum auch nicht lange überlegen, als es darum ging, das Haus meiner Schwiegereltern zu übernehmen. Das Pendeln zur Arbeit in der Stadt beanspruchte zwar seine Zeit, aber wenn man sich’s einrichtet, kann man auch die Zeit im ÖV sinnvoll nutzen.
Das Haus war zu einer Zeit gebaut worden, wo Zonenpläne noch ein Fremdwort waren. So lag unser Grundstück mit dem Haus ausserhalb des Siedlungsrandes. Das hatte den enormen Vorteil, dass wir bei der Pflege des Umschwungs nicht die, in Einfamilienhausquartieren üblichen, ungeschriebenen Gesetzte bürgerlicher Gartengestaltung befolgen mussten. So glich unser Umschwung eher einer Magerwiese mit vereinzelten Obstbäumen als einem Mittelstandsgarten. Die Wiese mähte ich zweimal im Jahr mit der Sense, wir liessen das Gras an der Luft trocknen und dann von einem lokalen Bauer zusammen mit seiner Heuernte einholen. Uns erschien dies sinnvoll und effizient, wenn auch andere fanden, unser Grundstück mache einen etwas verwilderten Eindruck.
Als dann zwischen uns und dem Siedlungsrand im grossen Stil Land eingezont wurde, um es zu überbauen, war uns etwas mulmig zu Mute. Irgendwie mochten wir unsere Abgeschiedenheit und schauten den vielen neuen Nachbarn, die da kommen würden, mit gemischten Gefühlen entgegen.
Zum Glück waren unsere Befürchtungen unbegründet. Unsere neuen Nachbarn waren angetan von der Biodiversität auf unserem Grundstück. Sie waren fasziniert von den Erdbienen, den Libellen oder dem Igel, den man gelegentlich durchs hohe Gras schnauben hörte. Meine Fertigkeit an der Sense, die ich mir über die Zeit angeeignet hatte, rief schon fast Begeisterungsstürme hervor. Die Eleganz des Mähens einer Wiese mit einer Sense, sei kein Vergleich zum ohrenbetäubenden Lärm der Motorsense, den sie sich von den städtischen Werken gewohnt waren. Auch unser Komposthaufen hatte es ihnen angetan. Kreislaufwirtschaft in Reinkultur – ob sie ihre Küchenabfälle auch bei uns kompostieren dürften? Wir konnten das ganze Getue nicht ganz verstehen, es war unser Alltag.
Leider hielt die Begeisterung nicht lange an. Anfänglich musste man genau hinhören, um die abnehmende Begeisterung wahrzunehmen. Wie soll man es interpretieren, wenn ein Nachbar scheinbar beiläufig feststellt, dass er viel Zeit damit verbringe die Wiesenblumen, die in ihrem Rasen spriessten, auszustechen. Dass unser Igel wohl Vegetarier sei, sonst würden es nicht so viele Schnecken aus unserer Wiese in ihr Kräuterhochbeet schaffen – hahaha! Ob auf unserem Grundstück möglicherweise Wespen nisteten, es hätte plötzlich so viele Wespen, die an ihrer Grillparty mitmachen wollten!
Die Begeisterung für unseren Komposthaufen blieb jedoch ungebrochen. Nur wurde der Begriff der Kompostierbarkeit zunehmend gedehnt. So landeten mit den Blumensträussen auch gleich die Eisendrähte, die zur Stabilisierung der Blumenköpfe in die Sträusse eingearbeitet waren, mit auf dem Haufen. Auf unseren Hinweis, dass wir eigentlich keine Eierschalen kompostieren wollten, wurden wir belehrt, dass Eierschalen neben dem Kalziumkarbonat noch 27 andere wichtige Elemente enthalten würden, deren Rezyklierung wichtig sei. Es begann an den Nerven zu zehren, aber wir waren gewillt, durchzuhalten. Wer an den Rand des Dorfes zieht, muss sich auf Biodiversität einstellen, dachten wir uns.
Ob wir unsere Obstbäume nicht spritzen wollen, damit die Äpfel nicht so verwurmt würden, war auch eine Botschaft, die richtig interpretiert werden musste. Einmal hellhörig geworden, bleib es uns nicht mehr verborgen, dass sich Nachbarn auch mal an unseren Obstbäumen bedienten. Umdenken war definitiv angesagt. Wir sagten uns, wenn schon etwas ändern, dann gründlich. Inspiration holten wir uns bei der japanischen Gartenbaukunst. Mit den klaren Linien und bewusst asymmetrischen Elementen erhält ein Garten eine gewisse Natürlichkeit, die sich doch deutlich von unserem Naturgarten unterscheidet. Wie sich der Gartenbau seinem Ende näherte, wurde es uns wieder mulmig zu Mute. Wie der Garten bei den Nachbarn wohl ankommen würde. Zum Glück waren unsere Befürchtungen unbegründet. Unsere Nachbarn waren angetan von unserem neuen Garten. Nichts ginge über die Eleganz der japanischen Gartenbaukunst – Harmonie in Reinstkultur. Ob wir auch über das Anlegen eines Steingartens nachgedacht hätten?
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