Als ich damals mein Ingenieurstudium abschloss, hatte ich zwei vielversprechende Produktideen, auf denen ich meine Firma hätte bauen können. Das eine war ein solarzellenbetriebener Drehteller und das zweite war ein Haarschneideautomat.
Ein solarzellenangetriebener Drehteller mag auf den ersten Blick unnütz erscheinen. Wer aber schon in seiner Wohnung eine Amaryllis austreiben und blühen lassen hat, wird mit mir schnell einig sein, dass so unnütz ein solcher Drehteller nicht wäre. Eine Amaryllis hat den Drang ihre Blüten dem Licht entgegen zu strecken und wenn dieses in der Wohnung vornehmlich aus einer Richtung kommt, wächst sie in diese Richtung. Anfänglich geht das ja noch gut, aber sobald die Blüten eine gewisse Grösse erreicht haben, führt die geringste Schieflage dazu, dass der Topf umfällt. Abhilfe zu schaffen ist relativ einfach, man braucht den Topf nur regelmäßig zu drehen, so dass sich die Amaryllis wieder in die andere Richtung reckt. Würde sich die Topfunterlage nun automatisch drehen, würde die Amaryllis gar nie in Schieflage geraten. Der Solarantrieb macht es möglich, dass die Unterlage irgendwo stehen kann. Das heißt, der Standort nicht abhängig ist von der Platzierung der Steckdosen im Haus. Auch braucht das Drehen nicht viel Energie, reicht es doch, die Unterlage ganz langsam zu drehen. Und zu guter Letzt muss der Untersatz nicht drehen, wenn es dunkel ist.
Der Haarschneideautomat basierte auf der groben Idee, durch eine Kombination von statischer Aufladung und einer Ansaughaube, die Haare dazu zu bringen, einzeln identifizierbar vom Kopf abzustehen. Durch das Ausmessen jedes einzelnen Haares während dieses Aufstellvorgangs, könnte die Biegefestigkeit und die Dichte der Haare genau eruiert werden. Daraus könnte dann berechnet werden, wie die Haare geschnitten werden müssten, um nach dem Schneiden ohne großes Kämmen in die gewünschte Frisur zu fallen. Schneiden würde man die Haare einzeln mit einem Laser.
Ich hatte mich damals für den Haarschneidautomaten entschieden, weil mir dies das anspruchsvollere Problem schien. Wie würde man am besten alle Haare schnell und in einem Durchlauf bezüglich Ihrer physikalischen Eigenschaften charakterisieren? Welche Eigenschaften würden überhaupt eine Rolle spielen? Wieviel Rechenleistung würde man brauchen um wirklich jedes einzelne Haar schnell zu charakterisieren?
Heute bin ich froh, habe ich mir den Haarschneideautomaten vorgenommen. Die Aufgabe stellte sich tatsächlich als grosse Herausforderung dar. Es stellte sich zum Beispiel heraus, dass Biegefestigkeit und Dichte bei weitem nicht ausreichten, um den perfekten Haarschnitt zu berechnen. Aber auch geschäftlich gesehen, war es die bessere Entscheidung. Sicherlich hätte ich mit dem Drehteller schneller ein marktreifes Produkt gehabt. Anfänglich wurden die Automaten als Kuriosum behandelt. Sie wurden vereinzelt in Friseursalons in Städten aufgestellt. Und anfänglich funktionierte die Technologie auch nur bei gewissen Kurzhaarschnitten. Aber wir machten schnell Fortschritte und heute steht fast in jedem Einkaufszentrum ein Frisierautomat, wo man sich in rund drei Minuten die Haare schneiden lassen kann. Die Zeiten, wo es in jedem Dorf einen Friseursalon gibt, wo man sich Tage im Voraus anmelden muss, wo Haareschneiden fast eine Stunde dauert und wo man sich den ganzen Dorftratsch anhören muss, sind längst vorbei. Mit einem solargetriebenen Drehteller hätte ich kaum gleich nachhaltig Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen können und ich wäre wohl auch nicht annähernd so reich geworden damit.
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