Die Arbeit hier wird immer mehr zur Hölle. Unsere Chef wird immer unerträglicher. Früher sahen wir ihn selten im Büro. Oft kam er nur für eine Stunde oder zwei und verschwand dann wieder. Er wollte auch nie so genau wissen, wie wir mit unserer Entwicklungsarbeit voran kamen. Er begnügte sich mit der Frage: ”Kommt Ihr voran?” Die Antwort dazu wartete er nicht einmal ab.
Heute ist dies ganz anders. In der Regel ist er bereits vor uns allen im Büro und noch bevor man richtig angekommen ist, bestürmt er einem mit der Frage: “Und, ist Dir eine Idee gekommen, wie wir weiter kommen könnten?” Täglich beruft er eine Fortschrittssitzung ein. Auf unsere anfänglichen Einwände, dass sich neue Ideen weder so rasch generieren, geschweige denn umsetzen lassen, meinte er nur, es gelte, das Momentum aufrecht zu erhalten.
Dass uns langsam Zweifel kommen, ob sich unser Entwicklungsziel überhaupt erreichen lässt, hilft bei der Lösungssuche auch nicht wirklich. Dabei ist die Grundidee seines Projektes für eine alternative Energiegewinnung einfach. Der Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass Temperaturunterschiede bestehen zwischen Luftschichten unterschiedlicher Höhe. Jeder kennt die Faustregel, dass die Temperatur pro 100m Höhendifferenz um ca. 1°C abnimmt. Damit diese Temperaturdifferenz bestehen kann, muss natürlich lokal ein Temperaturgradient existieren. Unsere Entwicklungsaufgabe besteht nun darin, mit Hilfe von temperatursensitiven Halbleitern diese kleinen Temperaturdifferenzen in nutzbare elektrische Energie umzuwandeln. Da in kleinen Temperaturdifferenzen nur wenig Energie steckt, sieht das Konzept eine Vielzahl, in Serie geschalteter, Stufen vor, deren Platzbedarf aber dank kompakter Halbleiterbauweise trotzdem sehr gering ist.
Bei allen Zweifeln, die wir gelegentlich haben, orientieren wir uns doch immer wieder an der Tatsache, dass das Energieministerium das Projekt als machbar zu erachten scheint. Sonst wäre es unserem Chef kaum möglich gewesen, Geld für seine Firma aus dem nationalen Impulsprogramm zur Förderung neuer Energieerzeugung zu erhalten.
Wir sollten wenigstens einen Prototypen realisieren, dann sollte er problemlos eine Nachfolgefinanzierung erreichen können, führt er immer wieder aus. Davon sind wir aber noch ziemlich weit entfernt. Eine grobe Abschätzung unsererseits ergab, dass wir mit den heute verfügbaren Technologien eine Anordnung von der Grösse eines Fussballfeldes benötigen würden, um 1W elektrische Leistung zu erzeugen. Die Sitzung, bei der wir diese Berechungen vorgestellt hatten, war eine der denkwürdigsten seit meinem Arbeitsbeginn vor drei Jahren. Unser Chef betitelte uns als Idioten und Stümper. Und er schrie uns an, dass er uns dafür bezahle, dass wir Lösungen erarbeiteten und nicht dafür, dass wir Probleme suchten.
Zugegeben ist diese Haltung konsistent mit seiner Einstellungspolitik. Da hatte er uns überzeugend dargelegt, dass er nur junge Naturwissenschafter frisch ab Presse einstelle, weil diese noch nicht im konventionellen Schema von Machbarkeit denken würden und daher nachgewiesenermassen die besseren Chancen hätten, Innovationen zu schaffen. Ich befürchte nur, dass wenn diese Innovationen nicht bald kommen, unsere Arbeit hier vollends zur Hölle wird.
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